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Gegen die bleierne Müdigkeit, die sich wie Mehltau auf unsere Gefühle und Affekte gelegt hat.
Gegen die Mattigkeit und Unlust, die das lustvolle Auf und Ab des Lebens hat verebben lassen.

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TRIUMPH UND QUAL IM EINKLANG – EIN BLICK ZURÜCK AUF 50 KILOMETER DURCH DEN TAUNUS

Ich stehe hier, die Füße übersät mit Blasen, der große Zeh am rechten Fuß schmerzvoll blau verfärbt, und blicke zurück auf einen Weg, der mehr war als nur eine physische Strecke. Es waren 50 Kilometer und 1.245 Höhenmeter durch die beeindruckenden Weiten des Hochtaunus, die meine Beine, meinen Geist und meine Willenskraft auf eine Probe stellten, die ich so nicht erwartet hatte.

Die Uhr stoppte bei 11:29:58 Stunden – eine Zahl, die nun unauslöschlich in mein Gedächtnis eingraviert ist. Jede Sekunde, jede Minute darauf erzählt eine Geschichte von Durchhalten, Weitermachen, und dem unerbittlichen Pochen von schmerzenden Füßen in angestrengten Schuhen.

Der Weg war geprägt von malerischen Aussichten, von Aufstiegen und Abstiegen, die mehr als nur meine Waden herausforderten, und von Momenten, in denen der Gedanke, einfach stehen zu bleiben und alles hinzuwerfen, eine schmerzlich süße Verlockung war. Aber es waren auch Momente unerwarteter, roher Freude beim Überwinden der eigenen Grenzen, beim Erklimmen des nächsten Hügels, und beim Betrachten des weiten Horizonts, der sich am Ende eines anstrengenden Anstiegs offenbarte.

Ja, das Leiden war spürbar. Und während die Blasen an meinen Fersen platzten, öffnete sich auch eine andere Erkenntnis: Ist es nicht oft der reinste Wahnsinn, der uns zu den außergewöhnlichsten Taten antreibt? Ein unverständlicher, irrationaler Drang, der uns Wege beschreiten lässt, die sowohl unsinnig als auch zugleich wunderschön sind?

Auf den ersten Blick mag es absurd erscheinen, sich selbst in solch eine erschöpfende, schmerzhafte Situation zu begeben. Aber darin, liebe Leser, entfaltet sich eine tiefe, oft unerklärliche Schönheit. Denn in diesen Stunden des Wankens, des Zweifelns und des Weitermachens offenbarte sich nicht nur der Charakter meiner eigenen Willenskraft, sondern auch die Fähigkeit, Schönheit in der Qual zu finden, Sinn im scheinbar Sinnlosen und eine tiefe Zufriedenheit im einfachen Weitergehen.

Es war schön, es war brutal, es war ein Abenteuer in seiner reinsten Form. Und obwohl meine Füße nun schreien und der Gedanke an die nächste Herausforderung mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachtet wird, steht eines fest: Das Abenteuer geht weiter. Vielleicht nicht morgen, vielleicht nicht übermorgen. Aber es wartet da draußen, am Horizont, wo die Sonne die Welt in warmes Licht taucht und der Weg wieder ruft.

Für jetzt, in diesem Moment des Triumphes und der Erschöpfung, danke ich euch, liebe Begleiter, fürs Dabei sein, fürs Mitfiebern und für jeden kleinen Schub an Energie, den ihr mir mit euren Gedanken geschickt habt. Die Herausforderung von 100 Kilometern wartet noch, verborgen in der Zukunft und mit noch unbekannten Hürden und Freuden.

Euer erschöpfter, aber glücklicher Wanderer, Oliver

P.S. Die Regeneration meiner Füße hat oberste Priorität – die nächste Reise wartet bereits! Mögen die Blasenpflaster, kalten Umschläge und erholsamen Nächte mir gnädig sein.

Comments: 2

  • Eberhard
    20. Oktober 2023 22:58

    Hej Oli,
    Ich glaube Leiden ist eine normale Folge des Menschseins. Viktor Frankl bezeichnete das Leiden als eine der drei wichtigsten Quellen für die Sinnfindung im Leben.
    Das Besondere am Leiden ist, dass es die Überwindung von geistigem, emotionalem und körperlichem Schmerz beinhaltet. Die Suche nach Sinn durch Leiden ist eine Entscheidung.

Leiden widerfährt uns. Es ist in gewisser Weise Schicksal und nicht etwas, das wir kontrollieren können. Aber wir KÖNNEN unsere Reaktionen darauf kontrollieren. Brechen wir unter seinem Gewicht zusammen oder besiegen wir es mit Würde? Insofern hat das scheinbar Sinnlose doch einen viel tieferen Sinn.
    Pain means progress

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